Stadthagen
Die Fahrt nach Stadthagen lag mir lange schon im Sinn.
Bereits in den 70er Jahren, das hannoversche Stadtarchiv befand sich noch in der
Nähe der Marktkirche, las ich in Max Burchards, Das Stadtarchiv
von Stadthagen als Quelle für die Bevölkerungsgeschichte, von
den beiden Lemmedes, deren einer, Hinrik van Lemmede, vielleicht auch der
Pate des Hinrik Mummentey, ihrem Schwestersohn war. Nun wollte ich es genauer
wissen. Rentengeschäfte, Leibgedinge usw. und dann nochmals Herman
van Lemmede, bestimmt würde ich an Ort und Stelle noch viel mehr herausbekommen.
Schnell war die Telefonnummer des Stadtarchivs in
Stadthagen gefunden und der Kontakt mit einem der ehrenamtlichen Mitarbeiter
aufgenommen. Mit einer auf meinem Palmtop abgespeicherten genauen Orts-
und Wegbeschreibung und dem Hinweis auf die Tiefgarage am Hundemarkt machte
ich mich am 11 August 1998 auf den Weg. Über Land, genauer die B65,
mit vielen Ampelhalten in den Dörfern auf dem Weg, ohne Chance, die
langsamerenMitreisenden zu überholen, erreichte ich Stadthagen und das
strenge Reglement von Einbahnstraßen, Fußgängerzonen und
Halteverbotsschildern - ein Nachklang der alten Stadt mit ihren Mauern,
Wällen und bewachten Stadttoren.
Glücklich pries ich den Ratschlag zum Halten
am Hundemarkt und machte mich, nachdem ich einen Parkschein gezogen hatte,
auf die Suche nach dem Stadtarchiv und den Mummenteys. Mir gefiel das geschäftige
Treiben an einem Marktag, die bunten Verkaufsstände und die schwatzenden
Käufer vor den renovierten Bürgerhäusern und ich ließ
mich mitziehen einige Male um das Rathaus herum, in den Straßen und
Gassen etwas von ihrer Stimmung aufzunehmen. Mein Gesprächspartner
vieler Telefonate war dann bald gefunden und jetzt lag das Stadtbuch endlich
vor mir.
Eigentlich waren es zwei Bücher, zwei Bände
in einem braunen Plastikeinband, mit kritzeligen Fotokopien. Mit der dazugelegten
Lupe sah man etwas schärfer, aber wo suchen?. Da es keine weiteren
Findmittel gab, wurde nochmals das Buch von Burchard befragt. Schließlich
fand ich die richtige Seite, aber eine Kopie einer schlechten Kopie?!
Im Gespräch kam dann heraus, daß in den
30er Jahren, entgegen dem Residenzprinzip, das Stadtbuch, ein Kopialbuch,
mit Abschriften von Urkunden und schriftlichen Vereinbarungen, von der
Preußischen Staatsbibliothek, Berlin gekauft worden war.
Dort liegt es noch immer: Signatur Ms. germ. fol.
1376 und dorthin schrieb ich einen bitteren Brief. Mit einer pikierten
Antwort kam auch eine lesbare Kopie. Sie beschreibt ein Quasimodo (19.
April) 1411 beurkundetetes Rentengeschäft über 50 Pfund Hannoverscher
Pfennige in bar, die dem Rat der Stadt übergeben und schon nützlich
verwandt worden sind. Die Gläubiger, die Herren Herman und Hinrich
van Lemmede und ihr Schwestersohn Hinrik Mummentey erhalten dafür
eine Rente über fünf Pfund in gleicher Währung, ausgezahlt
jährlich am St Michaelstag (29. September) in Stadthagen, zunächst
an Herman van Lemmede. Nach dessen Tode soll sie an den gehen, der den
Rentenbrief innehat.
Einige Zeit später fand ich unter den Papieren
der Mummentheyschen Familienforschung folgende Notiz von Karl Mummenthey,
Olbernhau (Bankdirektor) der, 1939 nach dem Familientag in Goslar ebenfalls
Stadthagen besucht:
"Welch ein Vorgang, daß 1939 ein
Mummenthey des Weges kommt und auf dem Rathaus eine Urkunde einsehen will,
in der 1411 Hinrik van Lemmede, Herrman van Lemmede und ihr Schwestersohn
Hinrik Mummenthey mit dem Rat bekennen und bezeugen. Es ergibt sich, daß
nur eine Urkundenabschrift im 'Großen Stadtbuch' vorhanden ist, und
daß dieses Buch in der Preußischen Staatsbibliothek, Berlin
liegt. So schrieb ich dort hin. Wieder eine Überraschung, aber diesmal
einer sehr fördernden Art. Der Bescheid auf meinen Wunsch, eine Wiedergabe
der Urkunde zu erhalten, war unterschrieben von Vetter Richard Mummendey,
dem Leiter der Leihstelle der Staatsbibliothek. Durch sein Zutun erhielt
ich nicht nur Lichtbilder der Urkunde, sondern auch eine handschriftliche
Abschrift der Urkunde."