Hannover

Zwischen 1591 und 1603 bekommt die Stadt Hannover unter den rund 400 Neubürgern dieser zwölf Jahre auch zwei Bürger, die beide den Namen Ditrich Mummentey tragen. Manchmal mit sen. und jun. unterschieden, sind sie aber nicht Vater und Sohn. Dietrich Mummentey sen. legt am 15. Januar 1591 den Bürgereid ab und zahlt 20 Taler Bürgergeld. Er heiratet am 23.5.1596 in St. Aegidien Catharina Hogrefe und wohnt nun im Hause seines Schwiegervaters Ludeke Hogrefe, in der Osterstraße 37. Von 1599 bis 1625 ist er selbst im Schoßregister des Osterstraßen-Quartiers eingetragen. Der Neubürger vom 11.9.1602, Dietrich Mummentey jun., mit dem Vermerk „aus Hiddestorf“ bei der Aufnahme in die Brauergilde 1603, zahlt nur 15 Taler Bürgergeld. Er heiratet am 11.5.1606 ebenfalls in St. Aegidien und ist ab 1607 im Schoßregister O 207 (Potthofstraße 2) eingetragen. Im Kirchenbuch findet sich noch der Hinweis „Henrichs Sohn“. Vielleicht hat auch der Vater Henrich Mummentey der Kirchengemeinde St. Aegidien angehört, es wäre eine Erklärung für diese rare Ergänzung und das Fehlen des Namens in Hiddestorf im Calenberger Hausbuch und in der Musterungsrolle. Beide Mummenteys, Senior und Junior, haben ein Haus mit Brauberechtigung (Br 508 und Br 371), also das Recht, für den eigenen und den Bedarf der Stadt als Mitglied der Brauergilde Bier zu brauen.

In der Folgezeit entwickeln sich dann in der Calenberger Neustadt mit ihren dortigen Stammvätern Johann Mummentey und Curdt Mummentey zwei Familienzweige A und B, die aus den Abschriften der Kirchenbücher der Hof- und Stadtkirche St. Johannis und den Unterlagen, die Joachim Studtmann für meinen Oheim Emil Mummenthey erstellte, gut belegt sind und nach Studtmanns eigener Anmerkung:„wahrscheinlich in den voraufgehenden Generationen einmal zusammengehangen haben; nur läßt sich nach dem von mir gesammelten Material, dieser Zusammenhang nicht mehr konstruieren.“,Brief von Joachim Studtmann, in Urkunden Mummenthey, Privatbesitz. Die später erfolgte Bearbeitung des Kirchenbuches von St. Aegidien, das oben schon als Quelle benutzt wurde, verlegt nicht nur den Zeitpunkt des zitierten Zusammen?hanges weiter in die Vergangenheit zurück, sondern auch seinen möglichen Ort weitab in das Calenberger Land. 

Ich gehe einmal die Strecken zwischen der Aegidienkirche, der Marktkirche und der Kreuzkirche ab, diese kurzen Wege belegen ein Leben im Schatten der Kirchtürme und in der Enge der Stadt. Bei der Suche nach dem virtuellen Ort der Potthofstraße 2, stehe ich unvermittelt vor den Resten der Stadtmauer, die so nah ich nicht vermutet hätte. Zwischen dem Haus Osterstraße Nr. 37, dem zweiten an der Ecke Osterstraße / Röselerstraße in Richtung Aegidienkirche und der hier damals zur Osterstraße parallel verlaufenden Stadtmauer lag nur noch ein Abschnitt mit parallelen Grundstücksstreifen mit je einem Haus und gelegentlich zusätzlich einer Boda (Bude). 

Bei meinen Ortsterminen im Osterstraßen-Quartier habe ich mir oft überlegt, wie die beiden Mummenteys sich wohl begegnet sind. Ihre Wege werden sich oft gekreuzt haben. Vielleicht auf dem Gang zur Kirche: Ditrich jun. aus dem Potthof kommend, trifft auf Ditrich Mummentey auf der Osterstraße. Haben sie dann miteinander gesprochen? Was wußten Sie voneinander, über ihren Namen, ihre Herkunft. War der gleiche Name, dazu noch der gleiche Vorname etwas Verbindendes, oder trennte es noch mehr. Kannten sie noch die Zusammenhänge, die ich heute nur noch erahne, oder wußten sie noch weniger? Wie weit reichte ihr Wissen zurück über familiäre Zusammenhänge, ihre Vorfahren im Calenberger Land, die Bedeutung ihres Namens. Wie oft haben sie die Portale von St. Ägidien durchschritten, wo haben sie in der Kirche gesessen. Mein Blick wandert unruhig durch das luftige Kirchenschiff, hinauf wo der flache Turmhelm von der Zeit förmlich komprimiert, nur noch eine Karikatur des einstigen Kirchturmes darstellt. Noch einmal gehe durch alle passierbaren Eingänge und dann über die Osterstraße zurück.

So nah sich die Häuser auch lagen, der soziale Abstand war groß. Die Potthofstraße wohl benannt nach einer Töpferei auf einem Nachbargrundstück war eine Nebenstraße senkrecht zur Osterstraße und endete als Sackgasse an der Stadtmauer. “1520 ließ Erasmus von Berckhusen hier in einer ‚Art sozialem Wohnungsbau’ siebzehn Häuser errichten, die bald darauf von seinen Nachkommen einzeln verkauft wurden. Heute ist der Potthof nur noch ein brunnengeschmückter Platz an der Baringstraße zwischen Parkhaus und Landeszentralbank.“ Zimmermann, Hapke, a.a.O. S. 16. Die Bilder Hapkes und Fotografien der alten Potthofstraße zeigen verwinkelte Fachwerkhäuser und eine nicht nur malerische Enge. Auf der senkrechten Verbindungsstrecke zwischen Osterstraße und Stadtmauer, etwa 75 m lang, die hierfür nicht einmal in ihrer ganzen Länge genutzt wurde, standen mit beidseitiger Bebauung die siebzehn Häuser auf einer Fläche, die oft nur von zwei Häusern eingenommen wurde.

Man wird sich gut gekannt haben in diesem Quartier, so daß es nicht wundert, bei den Taufen bis 1610, darunter die Taufeintragung von Curdt Mummentey, keinen Hinweis zu finden, welcher der beiden Dietriche, jun. oder sen., nun der Vater des getauften Kindes sei. Erst ab 1612, ausgewiesen durch die andere Handschrift des neuen Pastors, gibt es diesen differenzierenden Vermerk ? mit einer gravierenden Ausnahme, bei der Taufeintragung von Johann Mummentey fehlt er wieder. Sind nun Johann und Curdt Söhne von Dietrich sen. oder beide von Dietrich jun., gehört nur Curdt zu Dietrich sen. und Johann zu Dietrich jun. oder ist es genau umgekehrt? Leider hat keiner der eintragenden Pastoren die schon bestehenden Vorschriften für den Eintrag ins Kirchenbuch voll beherzigt. 

So bleibt nur ein Indizien-Puzzle. Die beiden 1610 geborenen Christoff und Curdt Mummentey können zwar denselben Vater, nicht aber dieselbe Mutter haben - sechs Monate sind eine zu knappe Zeit für zwei Geburten. Die durch Eintragung belegten Söhne des Dietrich jun. tragen die Namen Dirich, Wichmann und Behrendt. Curdt paßt besser in diese Namenreihe, womit Christoff zur Familie des Dietrich sen. gehört. Schließlich der mehr christliche Name Johann, der eher zu Christoph als zu Curdt, Dirich, Wichmann und Behrendt paßt. Eine Tochter Anna haben beide Dietriche. Für eine Zuordnung von Curdt Mummentey zum Potthof spricht auch eine mögliche Patenschaft Curdt von Sehndes, der mit Dietrich jun. Bürger von Hannover wurde und ebenfalls im Potthof wohnte. Im Schuldbuch der Zilly Rosenworm ist "Derick Mumentey auffm Potthoffe" 1617 für "6 Moller 2 Schepel roken den Schepel 2 fl" und "6 Moller 2 Schepel moltes den Schepel 1 thll" mit 40 fl (Gulden) als Schuldner eingetragen, Kröger a.a.O. S.180. Interessant sind die alphabetische Anordnung nach den Vornamen der Schuldner (fast nur aus dem hannoverschen Umland) und die Namensschreibung durch eine Schreiberin mit einer Schulbildung, die "auf ein{en} passiven Umgang mit der Schrift beschränkt blieb", Kröger, a.a.O. S. 169. Die Indizien für die Zuordnung von Johann zur Osterstraße und Curdt zum Potthof sind noch ein wenig schwach, doch die Daten ihrer Lebenswege mögen die Begründungskette stärken. 

Ein Vergleich der altstädtischen Geburtshäuser, der Eltern und Großeltern gibt eindeutig Johann die bessere Startposition, wenn auch sein Vater schon 1625 stirbt und der Tod der Mutter 1626 (Pest 1624-1627!) die Kinder Christoph (15J.), Maria (13 J.) und Johann (10 J.) zu Vollwaisen macht. Ihr Elternhaus gehörte schon den Großeltern, den Eltern der Mutter Catharina Hogrefe, die bis 1626 im Schoßregister eingetragen ist. Ab 1627 ist es Marie Mummentey. 1635 verkauft Marie Mummentey, Hans Schwalbes Witwe, das Haus an Hans Kanne. Johann, später in der Calenberger Neustadt Hannovers Krüger und Knochenhauer, wird, gesichert durch sein Erbteil (jüngstes Kind, Mindener Recht), seine Berufsausbildung zügig vorangebracht haben, denn er muß mit weniger als 26 Jahren verheiratet gewesen sein, indirekt belegt durch einen Eintrag im Sterberegister St. Aegidien:“Mummentey, Hanß Frau, 25.8.1641. Anfang 1645 heiratet er Margret Koepmann in zweiter Ehe. Sieben Jahre später, 1652, kauft er die Grundstücke Lange Straße 13 und Lange Straße 14 in der Calenberger Neustadt, die nebeneinander und etwas weniger als 100 m von der 1670 eingeweihten Neustädter Schloß- und Stadtkirche St. Johannis entfernt, auf der rechten Straßenseite in Richtung der heutigen Goethestraße lagen. In einer Bittschrift von Bürgern der hannoverschen Neustadt vom 23. July 1652 wird Johan Mummenthey vor Curdt Mummentey genannt. 

Curdt Mummenteys Eltern stammen beide nicht aus Hannover, und das Grundstück im Potthof hat nur ein Viertel der Fläche des Grundstücks in der Osterstraße. Die 1616 und 1619 geborenen Geschwister Wichmann und Behrendt sterben nach der Geburt, der 1612 geborene Dirich stirbt 1642 mit 30 Jahren drei Jahre vor seinem Vater. Im gleichen Jahr 1642 heiratet die 1620 geborene Schwester Anna Mummentey Christoffer Koris (Kors) und 1644 in zweiter Ehe Hans Kruse, der ab 1644, also schon vor dem Tod Dietrich Mummenteys jun., am 2.11.1645, im Schoßregister eingetragen ist. Curdt als Ältester der Geschwister, ohne große Aussicht auf finanzielle Unterstützung hat sich früh um seine Ausbildung kümmern müssen, konnte zudem nicht wie Johann auf den familiären Hintergrund bauen.

Spätestens 1655 mit 45 Jahren heiratet er Magdalena Sackmann, die Tochter von Jobst Sackmann und Halbschwester des späteren Limmer Pastors Jacobus Sackmann, des „volkstümlichsten niederdeutschen Predigers“, H. Zimmermann, a.a.O. In einem Brief an Herzog Georg Wilhelm vom 23. July 1652 werden die Namen Jobst Sackmann, Berendt Schiver, Jacob Lummer, M. Hanß Haselhorst, Johan Mummenthey, Herman Schläger, Curdt Mummenthey, Martin Locke, Heinrich Klasing, M. Hanß Rosenhagen, Hanß Jürgen Bornemann; und über die? Dieterich Bußen genannt. „  im selben Jahr 1652 erlangten die Fleischer ein Gewerbeprivileg, und damit begann die Ausbildung eigener Zünfte für die wichtigsten Gewerbe der Neustadt, obwohl die Fleischer selber darauf noch bis 1708 warten mußten.“ „Ein Teil der zu den Marstallgebäuden gehörenden Remisen an der Nordostseite der Neustädter Neue Straße (nordwestliches Leibnizufer) wurde 1696 den Neustädter Schlachtern als Fleischscharren (später königliches Schlachthaus) vermietet.“ Mlynek/Röhrbein a.a.O. S.187. Jobst Sackmann “ wahrscheinlich ein Sohn des Jacob Sackmann, der von 1618 bis 1621 unter den sechs Männern genannt wird, die neben dem Bürgermeister die Rechnung der Neustadt entgegennahmen, Stadtarchiv B 7886 m“ Zimmermann a.a.O., der Schwiegervater Curdt Mummenteis ist später Vorsteher der Neustädter Kirchengemeinde und wird 1673 auf dem „Aegidienmarkt „durch einen Bremer Kaufmann unversehens mit einer Pistole durch den Kopf geschossen, daß er den folgenden Morgen starb; am 14. Sept.: war der 16. Sonntag nach Trinitatis, ward er auf dem Kirchhofe bey der neuen Kirche begraben. Seine Leichenpredigt geschah über den Spruch: Unser keiner lebt ihn selber, und keiner stirbt ihn selber. Röm: 14 : 7 . 8“, Redecker, a.a.O. S.        Bei Redecker und auch in den Archiven habe ich noch keinen Hinweis finden können, welche Ursachen dieser erschreckenden und unverständlichen Tat vorausgingen und wie sie gesühnt wurde. Der Predigtspruch zur Beisetzung auf dem Kirchhof der Neustädter Kirche St. Johannis, deren Kirchenvorsteher Jobst Sackmann war, gibt auch keinen Hinweis. Der von Redecker nicht zitierte achte Vers, 14. Kapitel aus dem Brief des Paulus an die Römer: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn“, war bestimmt geläufiger als heute, gibt aber auch keinen weiteren Aufschluß und dürfte auch damals eine gewisse Ratlosigkeit widergespiegelt haben. Es ist vielleicht Spekulation den 13. Vers heranzuziehen: “Darum lasset uns nicht mehr einer den anderen richten; sondern richtet vielmehr darauf euern Sinn, daß niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis bereite“. (Gibt es Leichenpredigten St. Johannis 1673 ???)

Hannover wurde vom 30 jährigen Krieg nur indirekt betroffen und bleibt unzerstört. Wenn auch seine Verteidigungsanlagen von einigen Zeitgenossen als nicht sehr wirkungsvoll angesehen wurden, so müssen sie auf den im Dreißigjährigen Krieg erfolgreichen Feldherrn Herzog Georg zu Braunschweig-Lüneburg einen guten Eindruck gemacht haben. Als er nach dem Teilungsvertrag von 1635 mit dem Fürstentum Calenberg auch die Stadt Hannover bekam, war abgesehen von weiteren positiven Faktoren auch die intakte Rolle Hannovers als Handelsmittelpunkt. ausschlaggebend. So wird Hannover 1636 zur Residenzstadt, zunächst mit der Altstadt als Zentrum, das sich dann aber durch die expansive Kraft dieser neuen Entwicklung immer weiter in das außer der Vogteisiedlung noch weitgehend unbebaute Gelände der Calenberger Neustadt verlagerte, in der die Herzöge, vor allem der Nachfolger Georgs, Georg Wilhelm, versuchten, die Macht der altstädtischen Gilden und Privilegien auszudünnen und ihren Einflußbereich in zweifacher Weise auszuweiten. 

Nach der Fertigstellung der zusätzlichen Befestigungsanlagen, der Calenberger Straße, der Wagener- und der Mittelstraße, konnte 1650 das Bürgerrecht kostenlos erlangt werden und 1651 wurden Baugrundstücke, die innerhalb Zweijahresfrist bebaut wurden für drei bis fünf Jahre von den üblichen Abgaben (Schoß) befreit. Johann Mummentei kauft 1652 die oben beschriebenen Grundstücke an der noch nicht in der ganzen Länge fertiggestellten Langen Straße und Curdt Mummentei 1655 mit 45 Jahren für 50 Reichstaler das Haus Lange Straße 48 (Kirchenhaus), das 170 m weiter von der später erbauten Neustädter Kirche entfernt auf der linken Straßenseite lag. Das Grundstück hat etwa 75% der Größe des nur zum Hause Lange Straße 14 (180 m2 ) gehörenden Grundes. Die Lange Straße und die ein Stück zu ihr parallel verlaufende Neue Straße zwischen der Neustädter Kirche und der fast parallel fließenden Leine existieren nicht mehr. Bedingt durch die Zerstörungen des 2. Weltkrieges mußten sie schließlich der Neuanlage des Leibnizufers weichen.

Durch Jobst Sackmann und die Entwicklung der Calenberger Neustadt mag Curdt Mummenthey die Förderung erfahren haben, von der er dann noch ein langes Leben zehren konnte. In der Kopfsteuerbeschreibung von 1689 kann man lesen: Kord Mummentai, Fleischer (70 J) oo Magdalena Sackmans (51 J.), Tochter Anna Ilse 26 J., Lange Straße 48; und Johann Mummenteys Witwe Margret Kopmann (72 J.). Nimmt man das Geburtsjahr Curdt Mummenteys 1610, so ist er zu Zeit der Kopfsteuer-Erhebung eigentlich 79 Jahre alt, vielleicht hat er sich gegenüber seiner 1689 erst 51 jährigen Frau, die zur angenommenen Zeit der Heirat dann gerade 17 Jahre alt ist, etwas jünger gemacht. Ihr Halbbruder, der Limmer Pastor Jacobus Sackmann war auf eins ihrer Kinder und deren Nachkommen nicht sonderlich gut zu sprechen. Wortgewaltig wie in seinen Predigten läßt er sich darüber in seinem Testament derart aus, daß ich Mohrmanns Vorsicht und Verhüllung der Namen verstehe und richtig erleichtert war, nicht direkt mit diesem Mummentey-Sproß verwandt zu sein:

Anno 1716, den 22. Mai, dem Hattorfischen Koche Lehmann auf sein vielfältiges Betteln, Geilen, Lügen und Betrügen (da er fürgeben, er wolle abdanken und nach dem Herzberge mit seiner Ehefrau, Franz Mummenteys Tochter, ziehen und seine Nahrung allda suchen und fortsetzen) gegeben in baar in lauter 2/3 Stücken ? 100 Thaler. Annoch für seine Tochter, so er aus England mitgebracht, 5 Speciesthaler, ist ? 6 Thaler 24 Mgr.

Demzufolge sind die anderen Mummenteys, Söhne und Kinder, als meiner Halbschwester nachgelassene, in den heiligen Pfingsten, war der 31. Mai, zu mir auf die Pfarre kommen, etwas Fressen mitgebracht und dermaßen auch gegeilet und gebettelt, daß ich armer, von treuen Freunden verlassener Mann endlich Johann Jobst Mummenthey geben ? 100 Thaler, Franz Ewald, seinem Bruder ? 100 Thaler; 1716, den 10. Juli, Johann Jacob Bade ? 100 Thaler. Summa 494 Thaler 24 Mgr. Summa Summarum 1984 Thaler 24 Mgr. Anno 1716, den 7. Oktober, hat Johann Jobst Mummentey von meinen Wechselgeldern geholt und geliehen ? 200 Thaler; im Gleichen sein Bruder Ewald auch ? 200 Thaler. Weilen aber diese Gleißners gemeint, diese 400 Thaler gleich vorher empfangenen vielen hundert Thalern auch aufs Trockene zu ziehen, und wie ihr gottloser Vatter, Franz Mummentey, mich um mein vätterlich Haus und Erbteil gebracht und dazu gelästert: „den heff eck upschwentzet! u.“, so habe ich sie beiderseits forciret, mir eine Obligation darüber zu geben, welches sie auch malgré gethan, wie die bei meinen Schriften vorhandene eigenhändige Versicherung auf 400 Thaler documentiret, und nur von Wechselzins als 3 pro cento berechnet und eingesetzet.

Anno 1716. Da die beiden Mummenteyschen Gleißners den 23. November zu mir als ihrem Wohlthäter und gutherzigen Prediger gekommen und für ihre Schwester, die Satlersche, auch gegeilet und gebettelt, habe ich mich herausgelassen, ihr gleich ihnen zu geben, deswegen baar 50 Thaler ihnen in die Hände gegeben. Weilen sie mir aber das hoffärtige Weib mit ihrem Tunnenband mir ins Haus gesandt, bin ich über den Bettelhoffart dermaßen in Gott und meinem Jesu alteriret, daß ich mich beständig resolviret, Mummenteys Volk soll nimmer mehr für mein Angesicht wieder kommen, noch den geringsten Heller von meinem Erbtheile haben noch empfahen. Sie und ihre Urheberin, Annecke Mummentei, haben mir Zeit meines Lebens Elend und Leid genug gethan: Gott vergebe es ihr und bewahre uns alle vor der ewigen, ewigen, ewigen Verdammnis. Amen! H. Mohrmann, Jacobus Sackmann, Hannover 1880 S.38f.

Zu den nach Mohrmann zitierten Zeilen aus Jacobus Sackmanns Testament, also fast zwei Seiten, die Mummenteis betreffend, sind noch einige Erklärungen nötig. Die Namen sind in ‚Klarschrift’ angegeben, wie es sich durch die verschiedensten Quellen(Kirchenbuch St. Johannis, Stadtarchiv) belegen läßt. Der Hattorfische Koch, Johann Martin Lehmann, war mit Anna Catharina Mummentey, Franz Mummenteys Tochter, verheiratet. Zu den “anderen Mummenteis, Söhne und Kinder, als meiner Halbschwester Nachgelassene“ gehören neben Franz Mummentei nur noch Johann Christian Mummentei, Johannes Valentin Mummentei und Anna Ilse Mummentei. Wenn die auch gegeilet und gebettelt haben, dann ohne Erfolg! Von J.S. genannt werden nur Johann Jobst Mummentei, sein Bruder Franz Ewald Mummentei und „ihr gottloser Vatter, Franz Mummentei“. Dieser übernahm von seinem Vater nicht nur den Beruf und später das väterliche Haus, Lange Straße 48, er ist nach Jobst Sackmanns Erben im Schoßregister für das Haus Lange Straße 57 (Jobst Sackmanns Haus) eingetragen. Bei Johann Jacob Bade wird es sich um den Kurfürstlichen Mundkoch handeln, der laut Zimmermann mit Jobst Sackmanns Tochter Anna Barbara verheiratet war. „Das hoffärtige Weib mit ihrem Tunnenband“ trat bei J.S. in einem Reifrock auf, einer modischen Erscheinung der Zeit, wogegen er sich auch in einer Predigt gewaltig ereifert hat. Es ist die Satlersche, Schwester von Johann Jobst und Franz Ewald Mummentey und Ehefrau des Sattlermeisters Andreas Wilhelm Klinkhart. Ihr Taufpate am 22.11.1692 ist Johan Philip von Hagen, Cammerdiener bey ihrer Durchl. Erb Printzen Ehe Liebste. Da sei ihr der Reifrock gegönnt! Annecke Mummentey ist vielleicht Anna Catharina (Annecke) Mummentey, mit ihrem Mann die Erste und damit Urheberin des so bitterlich beklagten Bettelreigens.

Die Namen und Berufe in den Patenlisten, auf die Wolfgang Mummenthey in seinem Materialband zu den hannoverschen Mummenteis so viel Wert gelegt hat, ergänzen das Bild der Calenberger Neustadt, berichten vom Leben in einer kleinen Residenzstadt, wo Krieg und Stadtplanung die alten Ansichten und Bezüge zerstört haben. Fast hat es den Anschein als hätten Neid und Ressentiments der Altstädter und besonders ihrer engstirnigen Gilden späte Rache an der Neustadt verübt. Ganze Straßenzüge (Lange Straße    )verschwanden oder wurden verstümmelt (Bäckerstraße         ). Die Neustadt als eigentliche Residenzstadt (Plath) mit ihrem vielfältigen Leben, kann nur noch erahnt werden, wenn sich an bestimmten Achsen das aus Photographien, alten Stichen, Drucken, Aquarellen, Schoß- und Billettnummern, Daten der Wohn- und Arbeitsstätten, alten und neuen Karten beschworene Teilbild der Vergangenheit über das zerschundene Gesicht der heutigen Neustadt legt.